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AGVO-Änderung macht klassische Zuschüsse deutlich unattraktiver

Deutschland hat die längste Zeit im Rahmen der Förderung die Zuschussstrategie verfolgt. Während im Rest von Europa die steuerliche Förderung und Tax Credits die Förderung dominierten und Zuschussförderungen nur für spezialisierte, hoch innovative Projekte zur Verfügung standen, war der Zuschuss in Deutschland bis 2020 die einzige Fördermöglichkeit. Und das mit gutem Grund: eine Analyse für das Finanzministerium im Vorfeld der Einführung der steuerlichen Förderung (Forschungszulage) hat ergeben, dass Zuschussprojekte ein Return-on-Investment von ca. 5 hatten, während die steuerliche Förderung im Rest von Europa nur ein ROI von ca. 1 hatte.

Als die steuerliche Förderung dann 2020 in Deutschland eingeführt wurde, war diese in vielen Aspekten unattraktiver als die Zuschussförderung. Die Förderquote betrug nur 25% für Personalkosten und 15% für externe Forschungs- und Entwicklungsaufträge. In der Zuschussförderung jedoch betrug die Förderquote meist 50 oder sogar 60%, weiter konnten auch Materialkosten, Reisen, etc. geltend gemacht werden.

Eine Besonderheit, welche die Zuschussförderung deutlich attraktiver gemacht hat, war der Gemeinkostenzuschlag. Als kleines und mittleres Unternehmen konnte man einen pauschalierten Gemeinkostensatz von 100% wählen, welcher auf die Personalkosten draufgeschlagen wurde.

Ein einfaches Beispiel macht dies klar: Frau Müller verdient 5.000 €/Monat und arbeitet einen Monat in einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt. In der Forschungszulage kann man noch die Arbeitgeber-Anteile anrechnen (ca. 20%) und würde die Arbeit von Frau Müller somit in Summe mit 1.500 € gefördert bekommen.

Bei gleicher Tätigkeit könnte man im Zuschuss jedoch 10.000 € Kosten ansetzen (5.000 € Gehalt + 100% Gemeinkosten), welche dann mit oftmals 60% gefördert werden, d.h. 6.000 € Förderung.

Dieser Vergleich ist nicht perfekt, da der Zuschuss noch versteuert werden muss, was bei der Forschungszulage nicht der Fall ist. Aber auch dann war der Zuschuss deutlich attraktiver bezüglich der Förderkonditionen.

Zwei Ereignisse gleichzeitig

Nun haben aber zwei praktisch zeitgleiche Änderungen die Forschungslandschaft umgekrempelt. So wurde im April das Wachstumschancengesetz verabschiedet. Für kleine und mittlere Unternehmen (weniger als 250 Mitarbeiter) wurde die Förderung der Personalkosten im Rahmen der Forschungszulage nun auf 35 % aufgestockt. Weiter sind nun auch Capex-Investitionen förderfähig.

Auf der anderen Seite hat die EU eine Überarbeitung der AGVO vorgenommen. Konkret fordert dies von Deutschland, die pauschalierten Gemeinkosten im Rahmen der Zuschussförderung abzuschaffen. Dies ist mittlerweile in praktisch allen Förderungen umgesetzt worden, sodass auch kleine und mittlere Unternehmen nun nach ihren realen Gemeinkosten abrechnen müssen. Neben dem deutlichen Mehraufwand zur Berechnung ist dieser typischerweise auch deutlich niedriger als die vorher möglichen 100%.

Während Frau Müller nun also in der Forschungszulage mit 2.100 € gefördert wird, erhält man im Zuschuss oftmals nur noch 3.900 € Förderung (30% Gemeinkosten, 60% Förderung). Während vorher der Unterschied auch nach Steuern noch signifikant war, fällt dieser nun deutlich: bei einem Steuersatz von 30 % ergibt dies nur noch 2.730 € Förderung.

Entscheidender Faktor: Vorlaufzeit

Die Zuschussförderung ist also immer noch finanziell attraktiver, allerdings ist der Abstand deutlich geschrunken. Somit werden die anderen Vergleichsfaktoren wichtiger und sollten berücksichtigt werden.

Der wichtigste Faktor ist jetzt die notwendige Vorlaufzeit, bis ein Projekt starten kann: diese beträgt nämlich bei der Forschungszulage 0. Projekte können direkt gestartet werden und die Forschungszulage im Vorfeld, während des Projektes oder aber auch rückwirkend nach Projektende beantragt und abgerechnet werden.

Im Vergleich dazu beträgt die Vorlaufzeit bei typischen Zuschussförderungen mit 60% Förderquote wie bspw. KMU-innovativ oder Bekanntmachungen vom BMBF selbst im Idealfall 9-12 Monate. In dieser Zeit darf mit den Arbeiten an dem Projekt nicht begonnen werden.

Die Vorlaufzeit schrinkt teilweise bei Mittelstandsförderungen wie dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand oder regionalen Landesförderungen, beträgt aber meist immer noch mehr als 6 Monate. Und in diesem Fall schrinkt auch die Förderquote, bei ZIM bspw. auf ca. 40%. Frau Müller würde somit nur noch mit 1.820 € nach Steuern gefördert werden (weniger als bei der Forschungszulage) und man hätte eine lange Vorlaufzeit.

Fazit

Die bestehenden Zuschussförderungen werden sich anpassen müssen, da aktuell nicht viel für diese spricht. Erfahrungsgemäß wird dies jedoch dauern, in der Vergangenheit mussten entsprechende Änderungen mehrere Jahre durchlaufen. Bis dahin gibt es somit eine neue dominante Förderung in Deutschland: die Forschungszulage.

Ausnahme: Projekte mit Hochschulen oder Forschungseinrichtungen

Eine Ausnahme stellen Projekte mit Hochschulen oder Forschungseinrichtungen dar. Um hier bspw. einen Doktoranden zu finanzieren, eignet sich weiterhin nur die Zuschussförderung. Dieser wird nämlich weiterhin mit 100 % gefördert, während man bei der Forschungszulage als Unternehmen einen Großteil der Kosten (mind. 75,5%) selbst tragen müsste.

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Dr. Paul Freyberg

Senior Innovation Consultant